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Scheidungsrecht

Unser Team ist auf Scheidungsfälle spezialisiert, vor allem wenn sich gleichzeitig unternehmerische und wirtschaftliche Probleme stellen.

 

Nachfolgend soll das Scheidungsrecht und die neuere Gerichtspraxis dazu vorgestellt werden.

 

Das Scheidungsrecht (Art. 111 - 149 ZGB) wurde am 26. Juni 1998 durch das Parlament geändert und trat am 1. Januar 2000 in seiner geänderten Form in Kraft. Dabei wurden die Scheidungsvoraussetzungen, die berufliche Vorsorge, die Belange der Kinder und die Anforderungen an den nachehelichen Unterhalt und das Scheidungsverfahren neu geregelt.

 

1.  Ziele

Was sind die Ziele bei einer Scheidung? Die Antwort auf diese Frage kann je nach Klient unterschiedlich ausfallen. Gemeinsam ist wohl allen scheidungswilligen Ehegatten, dass sie einen möglichst schnellen Schlussstrich ziehen wollen, verbunden mit einem (wirtschaftlichen und emotionalen) Neuanfang.

Weitere wichtige Ziele sind das Sorgerecht um die Kinder, zusammen mit einer fairen Regelung des Unterhalts. Kinderlosen Ehegatten liegt häufig eine ordentliche Regelung der finanziellen Verhältnisse (Ausgleich der Pensionskassenguthaben, Aufteilung der gemeinsam erworbenen Aktiven etc.) am Herzen.

Wichtig ist, dass scheidungswillige Ehegatten sich zu Beginn einer Scheidung klar werden, was sie überhaupt wollen. Diese Willensbildung bildet die Basis für die spätere Prozessstrategie.
 

 

2.  Scheidungsvoraussetzungen   

Unter welchen Voraussetzungen kann man sich scheiden lassen?

Zu unterscheiden ist:

  • einvernehmliche Scheidung, in welcher beide Ehegatten die Scheidung wollen;
  • kontroverse Scheidung, wo sich ein Ehegatte dem Scheidungsbegehren des Anderen widersetzt; und
  • Trennung, die auch gegen den Willen des anderen Ehegatten durchgesetzt werden kann.

 

A.  Einvernehmliche Scheidung 

Die Ehegatten können den Scheidungsantrag gemeinsam beim Gericht einreichen. Wenn sie sich über alle Scheidungsfolgen einig sind (namentlich in Bezug auf Kinder, Unterhalt und Vermögensausgleich), werden die Ehegatten ohne tiefgehende richterliche Prüfung geschieden. Einzige Bedingung ist, dass ihre Einigung auch noch nach zweimonatiger Bedenkzeit seit der Anhörung vor Gericht anhält (Art. 111 ZGB). Sind sich die Ehegatten über die Scheidungsfolgen nicht einig geworden, werden diese vom Gericht beurteilt (Art. 112 ZGB).

 

B.  Kontroverse Scheidung: nach Zeitablauf 

B.1  Zweijährige Frist

Willigt der andere Ehegatte nicht in die Scheidung ein, kann die Ehe erst nach zwei Jahren Trennungszeit im Wege der Klage (Art. 114 ZGB) geschieden werden. D.h. zwischen Aufhebung des gemeinsamen Haushalts und Einreichen des Scheidungsantrags müssen zwei Jahre liegen.

Ausnahmen von der zweijährigen Trennungszeit werden nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe gemacht. So kann nach Art. 115 ZGB vor Ablauf der zweijährigen Frist ein Ehegatte die Scheidung nur verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. Art. 115 ZGB ist bewusst offen formuliert, damit die Gerichte den Umständen des Einzelfalles Rechnung tragen können. Beeinträchtigungen, die normalerweise mit einer Scheidung einhergehen, geben keinen solchen schwerwiegenden Grund ab (BGE vom 29. August 2003, 5C.90/2003, E. 2). Allerdings dürfen an den schwerwiegenden Grund auch keine übertriebene Anforderungen gestellt werden. Entscheidend ist, ob unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände das Fortbestehen der Ehe der Klägerin seelisch zumutbar ist, beziehungsweise ob die geistig-emotionale Reaktion, das Fortbestehen der Ehe während vier Jahren als unerträglich zu betrachten, objektiv nachvollziehbar ist (BGE 128 III 1 E. 3a/cc S. 3).

Beispielsweise war es für eine scheidungswillige Gattin unzumutbar, weiter verheiratet zu sein, nachdem ihr Gatte durch Fälschung ihrer Unterschrift die Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens aus der Personalvorsorge (rund CHF 430'000) und die Kündigung der Familienwohnung erwirkt hatte und dann mit dem Geld nach Kroatien gezogen war (BGE vom 29. August 2003, 5C.90/2003). Dagegen fand das Obergericht Zürich, dass eine bloss unheilbar zerstrittene (zerrütete) Ehe nicht genügte, um die Trennungszeit nicht abzuwarten (ZR 99 [2000] Nr. 45).

 

B.2  Eheschutz-Verfahren

Während des Getrenntlebens (d.h. während der zweijährigen Frist) kann jeder Gatte ein "Eheschutzverfahren" vor dem Richter einleiten. In diesem Verfahren regelt der Richter das Getrenntleben. Die wichtigsten Aufgaben des Richters sind:

1) Zuweisung der Wohnung (welcher Ehegatte bleibt, wer zieht aus?);

2) Zusprechen eines Unterhalts bis zur Scheidung;

3) Zuweisung der Obhut über die Kinder.

Das Eheschutzverfahren ist somit ein "kleines Scheidungsverfahren", in dem ein Teil der in der Scheidung zu behandelnden Punkte bereits vorher geregelt werden (indessen ohne Präjudiz für die spätere Scheidung).

Das Besondere am Eheschutz ist, dass die Ehe noch besteht. D.h. die Ehegatten schulden einander noch Treue und Beistand gestützt auf Art. 159 und Art. 163 ZGB.

Dies hat zur Konsequenz, dass der leistungsfähige (finanziell starke) Ehegatte seinem bedürftigen Partner im Rahmen des Möglichen einen "Prozesskostenvorschuss" (d.h. einen Vorschuss für den gegnerischen Anwalt und für die Gerichtskosten!) leisten muss. Soweit eine solche Leistung erhältlich ist, wird die unentgeltliche Rechtspflege nicht gewährt.

Das Bundesgericht hat den Prozesskostenvorschuss als Ausfluss der eherechtlichen Pflichten verstanden. Dabei hat es sich jeweils auf die Unterhalts- und die Beistandspflicht der Ehegatten gestützt (BGE 66 II 70 E. 3 S. 71/72; zuletzt: Urteil 5P.395/2001 vom 12. März 2002 E.1, publiziert in FamPra.ch 2002 S. 581).

Die Pflicht zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses ist unabhängig von der Unterhaltspflicht nach Art. 163 ZGB. Somit spielt es keine Rolle, dass der finanziell starke Ehegatte während der Scheidung keinen Unterhalt an den bedürftigen Ehegatten zahlt und ob er dazu gemäss Art. 125 ZGB allenfalls für die Zeit nach der Scheidung verpflichtet wird oder nicht (BGE vom 15. November 2005, 5P.346/2005, E. 4). Denn der Leistungsfähigkeit des Ehegatten im Unterhaltsrecht kommt eine andere Bedeutung zu als bei der Prüfung des Prozesskostenvorschusses. Ob dem Ehegatten, der Unterhalt fordert, eine berufliche Tätigkeit zuzumuten ist und damit von einem hypothetischen Einkommen auszugehen ist, spielt gegebenenfalls bei der Festlegung des Unterhalts während der Ehe und beim nachehelichen Unterhalt eine Rolle (BGE 130 III 537 E. 3). Demgegenüber ist für die Klärung der Frage, ob dem andern Ehegatten ein Prozesskostenvorschuss zu leisten ist, von dessen tatsächlicher Bedürftigkeit auszugehen (BGE vom 15. November 2005, 5P.346/2005, E. 4).

Auf jeden Fall ist dem pflichtigen Ehegatten aber sein Existenzminimum zu belassen (BGE 103 Ia 99 E. 4 S. 101).  D.h. ein Prozesskostenvorschuss kann nur gewährt werden, wenn der finanziell starke Ehegatte dadurch nicht mit seinem anderen Lebenskosten unter das Existenzminimum fällt.

 

C.  Trennung 

Möglich ist, die Trennung (anstatt die Scheidung) zu verlangen. Gestützt auf ein Trennungsurteil leben die Ehegatten in verschiedenen Haushalten, wobei im Rahmen vorsorglicher Massnahmen ein Ehegatte schon zu Unterhaltszahlungen verpflichtet werden kann. Die Ehetrennung bewirkt noch keine endgültige Beseitigung der Ehe. Die Ehegatten leben bloss getrennt und im Güterstand der Gütertrennung. Zulässig ist, zunächst vom Richter die Trennung zu verlangen und später im gleichen Verfahren ein Scheidungsbegehren zu stellen (Bundesgerichtsurteil vom 23. November 2005, 5C.27/2005).  

Das „Gefährliche“ an der Trennung ist, dass der Unterhaltsanspruch des bedürftigen Ehegatten tendenziell verringert wird. Während der (faktischen oder richterlich genehmigten) Trennungszeit passen sich die Ehegatten nämlich den finanziell schlechteren Lebensbedingungen an. Dabei gilt ihr verringerter Bedarf als Grundlage für den Unterhaltsanspruch, über den später (im Rahmen der Scheidung) entschieden wird. „Haben die Ehegatten während rund zehn Jahren getrennt gelebt, ist für den gebührenden Unterhalt die Lebenshaltung während der Trennungszeit massgebend.“ (so BGE 130 III 537, 5C.25/2004 vom 17. Juni 2004).

 

 

3.  Anerkennung einer ausländischen Scheidung 

Soll ein im Ausland ergangenes Scheidungsurteil Wirkungen in der Schweiz entfalten, muss dieses zunächst von einem Schweizer Gericht in einem formellen Verfahren anerkannt werden.  

In der Schweiz wird ein ausländischer Entscheid nicht anerkannt, wenn deren Wertung zu einem „unerträglichen Resultat führt, das der schweizerischen Rechtsordnung fundamental widerspricht“ (Bundesgerichtsurteil vom 4. März 2002, 5C.297/2001). Gemäss bundesgerichtlicher Praxis verletzt ein ausländisches Scheidungsurteil die fundamentale Schweizer Rechtsauffassung, wenn eine Partei daran nicht teilgenommen hat, vom Verfahren möglicherweise nichts wusste und die Scheidung bloss von Repräsentanten der jeweiligen Familien vereinbart worden ist (BGE 122 III 344, BGE 126 III 327). Namentlich Scheidungsurteile aus dem arabischen Raum können ohne Wissen und Willen der beteiligten Ehefrauen (und damit gegen ihren Willen) ausgesprochen werden. Solche Urteile werden in der Schweiz nicht anerkannt.

 

 

4.  Scheidungsfolgen 

Mit der Scheidung hat der Richter die folgenden Punkte zu regeln:

-          Verteilung des ehelichen Vermögens („güterrechtliche Auseinandersetzung“),

-          nachehelicher Unterhalt,

-          Übertragung der Miete der Familienwohnung auf einen Ehegatten,

-          Verteilung der beruflichen Vorsorge und

-          Regelung des Sorgerechts der Kinder und Unterhalt für die Kinder. 

Daneben ist gesetzlich geregelt, ob der Familienname behalten wird (ja, falls keine anderslautende Erklärung erfolgt) und ob der geschiedene Ehegatte zu den gesetzlichen Erben gehört (nein). 

 

4.1.  Teilung des Vermögens 

Die Teilung des ehelichen Vermögens ist vom vereinbarten Güterstand (Errungenschaftsbeteiligung, Gütertrennung, Gütergemeinschaft) abhängig.  

 

a) Errungenschaftsbeteiligung

Als gesetzlicher Güterstand (wenn die Ehegatten nichts anderes vereinbart haben) gilt die Errungenschaftsbeteilung. Danach gehört das Eigengut (persönliche Gegenstände, Genugtuungsansprüche, Ersatzanschaffungen für Eigengut und Vermögenswerte, die dem Ehegatten zu Beginn des Güterstandes gehörten und solche die er durch Erbschaft oder unentgeltlich erlangt hat) jedem Ehegatten (trotz Scheidung). Dagegen wird die Errungenschaft (d.h. das aus Arbeitserwerb erwirtschaftete Vermögen, Leistungen von Personalfürsorgeeinrichtungen, Sozialversicherungen und Sozialfürsorgeeinrichtungen, Entschädigungen aus Arbeitsunfähigkeit und Erträge des Eigenguts) auf beide Ehegatten zu gleichen Teilen verteilt.  

Umstritten ist deshalb häufig, ob ein Vermögenswert Eigengut oder Errungenschaft ist oder ob Teile des Eigenguts dem anderen Ehegatten übertragen wurden. Beispielsweise brachte ein Ehegatte einen Oldtimer in die Ehe ein. Damit war das Fahrzeug grundsätzlich Eigengut. Die Ehefrau behauptete aber, dass der Ehemann ihr das Fahrzeug geschenkt hatte. Das Gericht schloss auf eine Schenkung, weil der Ehemann in seinem Testament festgehalten hatte: "Der Veteranenwagen BMW 328, 1938, ist Eigentum meiner Frau ..."  (BGE vom 15. Mai 2003, 5C.66/2002).

 

b) Gütertrennung

Bei Gütertrennung erfolgt eine strikte Trennung des Vermögens und der Erträge daraus. Kein Ehegatte partizipiert am wirtschaftlichen Erfolg des anderen. Gütertrennung kann nur durch notariell beurkundeten Ehevertrag begründet werden.

 

c) Gütergemeinschaft

Beim dritten Güterstand, der Gütergemeinschaft, bildet grundsätzlich alles Gesamtgut, d.h. Errungenschaft (und ist mit dem anderen Ehegatten zu teilen). Die Ehegatten dürfen aus dem Gesamtgut einzig diejenigen Vermögensgegenstände zurücknehmen, die den Ehegatten bei der Heirat gehört haben, und diejenigen, die sie während der Ehe geerbt oder geschenkt erhalten haben.

 

d) Umstrittene Punkte

Umstritten sind in der güterrechtlichen Auseinandersetzung oftmals die folgenden Punkte:

  • Zuordnung der Vermögenswerte: Wer behauptet, dass ein Vermögenswert in seinem Eigengut steht, trägt dafür die Beweislast. Kann er seine Behauptung nicht beweisen, gilt der Vermögenswert als Errungenschaft.
  • Schenkung: Häufig wird sich ein Ehegatte darauf berufen, dass ihm der andere einen Vermögenswert geschenkt hat. Eine Schenkung geht dann der Zuordnung des Wertes als Eigengut vor.
  • Bewertung der Vermögenswerte: Landwirtschaftliche Gewerbe vorbehalten (Art. 212 f. ZGB), sind die Vermögenswerte bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung zum Verkehrswert einzusetzen (Art. 211 ZGB). Massgebend ist der Netto-Verkehrswert, d.h. der unter normalen Verhältnissen erzielbare oder tatsächlich erzielte Verkaufserlös nach Abzug laufender Gebühren, Abgaben und Steuerlasten. Kosten, die beim mutmasslichen Verkauf wahrscheinlich anfallen, müssen nachgewiesen werden (BGE vom 15. Mai 2003, 5C.66/2002).
  • Entäusserungen: Zur Errungenschaft werden unentgeltliche Zuwendungen zugerechnet, die ein Ehegatte während der letzten fünf Jahre vor Auflösung des Güterstandes ohne Zustimmung des anderen Ehegatten gemacht hat. Ebenso werden Vermögensentäusserungen, die in der Absicht gemacht wurden, den Anspruch des anderen Ehegatten zu schmälern, hinzugerechnet (Art. 208 ZGB).

 

 

4.2.  Berufliche Vorsorge 

 

a) Allgemeines

Eine berufstätige Person schafft durch Zahlungen an die Pensionskasse (unterstützt mit Zahlungen des Arbeitgebers) eine finanzielle Vorsorge für das Alter (sogenannte „zweite Säule“). In einer „klassischen“ Ehe, wo der eine Ehegatte arbeitet und der andere den Haushalt besorgt, erlangt der berufstätige Ehegatte dadurch einen Vorteil. Der Ehegatte, der aufgrund seiner Haushaltsbesorgung wenig oder nicht arbeitete, hat diese finanzielle Sicherheit nicht erlangt.

Im Rahmen der Scheidungsrevision wurde ein Anspruch des Ehegatten gegen den anderen Ehegatten auf Ausgleich des Pensionskassenguthabens begründet. Wenn ein Ehegatte oder beide einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge angehören, so hat jeder Ehegatte gegen den anderen einen hälftigen Anspruch auf die Vorsorgesumme.

Dabei ist zu unterscheiden, ob bereits ein Vorsorgefall (Pensionierung, Invalidität eines Ehegatten) eingetreten ist oder nicht (vgl. unten).

 

b) Kein Vorsorgefall -- Teilung der Beträge

Art. 122 Abs. 1 ZGB räumt jedem Ehegatten eine Forderung auf die Hälfte der nach dem Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993 (FZG) für die Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistung des anderen Ehegatten ein, wenn ein Ehegatte oder beide Ehegatten einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge angehören und bei keinem Ehegatten ein Vorsorgefall eingetreten ist. Diese Bestimmung ist somit anwendbar, wenn noch kein Vorsorgefall eingetreten, d.h. noch keine Rente (wegen Pensionierung, Unfalls etc.) ausbezahlt wird.

Nach Art. 15 Abs. 1 lit. a BVG besteht das Altersguthaben aus den Altersgutschriften samt Zinsen für die Zeit, während der der Versicherte der Vorsorgeeinrichtung angehört hat. Der vom Bundesrat festzulegende Mindestzinssatz (Art. 15 Abs. 2 BVG betrug bis Ende Dezember 2002 4%; seit 1. Januar 2003 ist er auf 3,25 % festgesetzt (Art. 12 BVV2).

Die Teilung der Austrittsleistung wird nach den Art. 22 - 22c FZG durchgeführt, wobei im Falle der Nichteinigung die Zuständigkeit des Gerichts nach Art. 73 BVG vorgesehen ist (Art. 25a FZG; Art. 141 und 142 ZGB). Die geteilte Austrittsleistung hat dem beruflichen Vorsorgeschutz grundsätzlich erhalten zu bleiben (Art. 22 Abs. 1, Art. 22b Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3-5 FZG). 

Nach Art. 39 Abs. 1 BVG und Art. 331b OR kann der Leistungsanspruch und die Forderung auf künftige Vorsorgeleistungen vor Fälligkeit weder verpfändet noch abgetreten werden. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat am 14. Mai 2002 (B 18/01; FamPra 2002 S. 568) entschieden, dass das Vorsorgekapital oder der nicht fällige Leistungsanspruch weder verpfändet noch abgetreten und namentlich nicht mit Forderungen aus dem Scheidungsurteil verrechnet werden darf. Eine andere Aufteilung oder eine anderweitige Abgeltung oder Verrechnung mit der Austrittsleistung müsste vor dem Scheidungsgericht gestützt auf Art. 123 ZGB erfolgen, wonach ein Ehegatte in der Vereinbarung auf seinen Anspruch ganz oder teilweise verzichten kann, wenn eine entsprechende Alters- und Invalidenvorsorge auf andere Weise gewährleistet ist (Abs. 1); ferner kann das Gericht die Teilung ganz oder teilweise verweigern, wenn sie auf Grund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung offensichtlich unbillig wäre (Abs. 2). Gestützt auf diese Bestimmungen kann das Scheidungsgericht im Rahmen der Aufteilung des Vorsorgeguthabens beispielsweise auch güterrechtliche Aspekte berücksichtigen. Wenn hingegen über die Aufteilung der Austrittsleistung oder das Teilungsverhältnis im Scheidungsurteil rechtskräftig entschieden worden ist, verbieten die Bestimmungen des FZG und der FZV, die den kompromisslosen Grundsatz der Erhaltung des Vorsorgeschutzes ausdrücken, die Verrechnung einer dem andern Ehegatten zustehenden Austrittsleistung mit allfälligen Forderungen aus dem Scheidungsurteil (BGE vom 7. September 2004, B 51/03).

Die hälftige Teilung der Vorsorgesumme setzt einen bezifferten Antrag voraus. So verlangte eine Ehefrau im Rahmen der Scheidung, dass der vom Obergericht festgesetzten Betrag als Ausgleich für die berufliche Vorsorge auf CHF 20'000 erhöht wird. Das Obergericht hatte den Ehemann im Rahmen der Ehescheidung verpflichtet, CHF 454'000 vom Pensionskassenguthaben als Ausgleich für die berufliche Vorsorge zu zahlen. Der hälftige Ausgleich wäre tatsächlich um CHF 20’000 höher. Aber die Ehefrau hatte nicht den aktuellen Ausgleichbetrag vor Bezirks- und Obergericht geltend gemacht. Vor Bundesgericht war es nicht möglich, den Betrag zu erhöhen, so dass die Ehefrau nur CHF 454'000 als Ausgleich für die berufliche Vorsorge erhielt (BGE vom 6. September 2001, 5C.129/2001).

 

c) Vorsorgefall -- "Angemessene Entschädigung"

Ist bei einem oder bei beiden Ehegatten ein Vorsorgefall bereits eingetreten oder können aus andern Gründen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge, die während der Dauer der Ehe erworben worden sind, nicht geteilt werden, so ist eine angemessene Entschädigung geschuldet (Art. 124 Abs. 1 ZGB).

Was gilt als Vorsorgefall? -- Als Vorsorgefälle gelten im Zusammenhang mit der Scheidung die Invalidität und das Erreichen der Altersgrenze (Pensionierung). Bei einem vorzeitigen Altersrücktritt (vorzeitige Pensionierung) bedarf es der Zustimmung des anderen Ehegatten, damit der Anspruch auf die Altersleistungen erfüllt sind.

Ist bei einem Ehegatten ein Vorsorgefall bereits eingetreten, so kann eine Aufteilung der Austrittsleistung gemäss Art. 122 ZGB nicht mehr stattfinden.

Denn sowohl die Alters- wie auch die Invalidenrente wird in der beruflichen Vorsorge grundsätzlich in Prozenten des massgeblichen Altersguthabens (Umwandlungssatz) berechnet. Der Umwandlungssatz beruht auf Durchschnittswerten der Lebenserwartung, so dass im Einzelfall die ausbezahlten Renten je nach tatsächlicher Lebensdauer einen weit höheren Betrag als das ganze Altersguthaben ausmachen können oder deren Summe auch weit unter dem gesamten Guthaben bleiben kann. Es ist deshalb dann nicht möglich, einen Teil des Anspruchs auf den anderen Ehegatten zu übertragen.

Aus diesem Grund sieht für diesen Fall Art. 124 ZGB eine "angemessene Entschädigung" vor (Botschaft zur Scheidungsrevision, BBl 1996 I 1, S. 105). Entscheidend ist danach für die Abgrenzung der Ansprüche gemäss Art. 122 und Art. 124 ZGB, ob eine Teilung von Austrittsleistungen technisch uneingeschränkt möglich ist oder nicht.

Sogar wenn der Vorsorgefall "Alter" aufgrund falscher Angaben des einen Ehegatten, etwa in Bezug auf seinen Zivilstand, eingetreten ist, und die Vorsorgeeinrichtung deshalb die Zustimmung der Ex-Ehegattin nicht eingeholt hat, ist die Teilung der Austrittsleistung nicht mehr möglich. Die Ex-Ehegattin kann deshalb nicht von der Vorsorgeeinrichtung verlangen, dass diese (nochmals) die Hälfte des (nicht mehr vorhandenen) Guthabens ihr bzw. ihrer Pensionskasse überweist (BGE 133 V 288).

Bei einer Teilinvalidität (z.B. einer 50%igen Arbeitsunfähigkeit wegen Unfalls) erhält der Ehegatte eine Teilrente. In einem solchen Fall lehnt es das Bundesgericht aus Gründen der Praktikabilität ab, eine noch vorhandene Austrittsleistung nach Art. 122 ZGB zu teilen und die restlichen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge nach Art. 124 ZGB angemessen zu entschädigen. Bei einer Teilrente bzw. einer bei einer Teilinvalidität sind die Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge, die zu Leistungen der Vorsorgeeinrichtung geführt hat, nicht auf Art. 122 Abs. 1 ZGB abzustützen. Geschuldet ist vielmehr ausschliesslich eine angemessene Entschädigung gemäss Art. 124 ZGB.

Dem anspruchsberechtigten Ehegatten steht gemäss Art. 124 Abs. 1 ZGB eine "angemessene Entschädigung" zu. Wie ist die angemessene Entschädigung zu berechnen? -- Das Gericht hat seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen. Bei Berechnung der angemessenen Entschädigung ist die gesetzgeberische Grundentscheidung gemäss Art. 122 ZGB zu berücksichtigen, wonach Vorsorgeguthaben unter den Ehegatten hälftig zu teilen sind. Allerdings darf nicht ungeachtet der konkreten wirtschaftlichen Verhältnisse eine Entschädigung festgesetzt werden, die schematisch dem Ergebnis der hälftigen Teilung der Vorsorgeguthaben entspricht. Vielmehr ist den Vermögensverhältnissen nach der güterrechtlichen Auseinandersetzung sowie der sonstigen wirtschaftlichen Lage der Parteien nach der Scheidung gebührend Rechnung zu tragen (BGE 127 III 433 E. 3 S. 439; BGE vom 15. Mai 2003, 5C.66/2002, E. 3.4.1; BGE 5C.276/2001, E. 4c). Das Bundesgericht geht dabei zweistufig vor, indem es zuerst die Höhe der Austrittsleistung im Zeitpunkt der Scheidung bzw. des Eintritts des Vorsorgefalls berechnet und dann auf das konkrete Vorsorgebedürfnis der Parteien abstellt (BGE 5C.159/2002, E. 2). Verfügt beispielsweise ein Ehegatte über ein weit grösseres Vermögen als der andere Ehegatte, kann die angemessene Entschädigung reduziert werden (BGE vom 15. Mai 2003, 5C.66/2002, E. 3.4.1).

Für die in einem ersten Schritt vorzunehmende Berechnung der Höhe der angemessenen Entschädigung ist wie bei Art. 122 ZGB die gesamte Ehedauer massgeblich (BGE vom 14. Mai 2007, 5C.238/2006, E. 3.1). Sodann orientiert sich die in einem zweiten Schritt festzusetzende angemessene Entschädigung für den Normalfall am gesetzgeberischen Konzept der grundsätzlichen hälftigen Teilung, soweit dies im konkreten Einzelfall möglich ist (vgl. BGE 129 III 481 E. 3.4.1 S. 488; 131 III 1 E. 4.2 S. 4).

Aus diesem Grund hielt das Bundesgericht es für korrekt, dass ein Ehegatte, der kurz vor der Scheidung pensioniert worden war (so dass der Vorsorgefall vor der Scheidung eingetreten war) und der nun eine Rente bezog, die Hälfte seines (hypothetischen) Vorsorgeguthabens der Ehefrau bezahlen musste. Der Ehegatte, der eine Rente bezog, konnte die Pensionskasse nicht mehr anweisen, diesen Betrag auszubezahlen, und musste dementsprechend den Betrag aus seinem Vermögen bezahlen (BGE vom 14. Mai 2007, 5C.238/2006).

 

d) Ausnahmefall: keine Teilung der Vorsorgeguthaben

Nach Art. 123 Abs. 2 ZGB kann die hälftige Teilung der Austrittsleistungen verweigert werden unter der Voraussetzung, dass - erstens - die Teilung  offensichtlich unbillig ist und dass - zweitens - die offensichtliche Unbilligkeit ihren Grund in der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder den wirtschaftlichen Verhältnissen nach der Scheidung hat.

Das Gericht darf die Teilung der Austrittsleistungen nicht nur dann ganz oder teilweise verweigern, wenn sie aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung offensichtlich unbillig wäre (Art. 123 Abs. 2 ZGB). Eine Verweigerung fällt auch dort in Betracht, wo die Teilung im konkreten Einzelfall und bei Vorliegen eines Tatbestandes gegen das Verbot des offenbaren Rechtsmissbrauchs verstiesse. Für weitere Verweigerungsgründe bleibt hingegen kein Raum (BGE vom 14. Juni 2007, 5C.224/2006, E. 4.7).

Nach der Praxis des Bundesgerichts wurde die Teilung der Austrittsleistung dann verweigert, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung dies zuliessen. Beispielsweise durfte die Teilung seiner Austrittsleistung verweigert werden, als im Scheidungszeitpunkt die Ehefrau bereits rentenberechtigt war und der Ehemann kurz vor Eintritt in die Rentenberechtigung stand, die Rente der Ehefrau aber grösser war als die künftige Rente des Ehemannes (Urteil 5C.176/2006 vom 27. Oktober 2006, E. 3.2). Keine Verweigerungsgründe waren gemäss Bundesgericht ein hohes Vermögen (Urteil 5C.49/2006 vom 24. August 2006, E. 3.1) oder das Eingehen einer neuen Lebensgemeinschaft durch den ausgleichsberechtigten Ehegatten (Urteil 5C.22/2005 vom 13. Mai 2005, E. 3.2).

Eine Verweigerung der Teilung von Austrittsleistungen kommt nach der bundesgerichtlichen Praxis weiter in Frage, wenn ein Ehegatte entgegen Art. 159 ZGB gar nie die eheliche Gemeinschaft aufgenommen hat oder wenn eine schwere Straftat die ein Ehegatte verübt hat, beim anderen Ehegatten zu einer schweren Körperverletzung führte. Ein blosses Ungleichgewicht der Lasten, die die Ehegatten während der Ehe trugen (ein Ehegatte arbeitete ständig, während der andere Ehegatten jahrelang arbeitslos war) führt dagegen nicht zur Verweigerung der Teilung der Vorsorgeguthaben.

 

 

 

4.3.  Nachehelicher Unterhalt 

a) Unterhaltspflicht - bei "lebensprägender Ehe"

Gemäss Art. 125 Abs. 1 ZGB besteht Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ("einen angemessenen Beitrag"), soweit einem Ehegatten nicht zuzumuten ist, für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufzukommen.

Der nacheheliche Unterhalt soll insbesondere den durch die Scheidung verursachten Veränderungen Rechnung tragen (Botschaft des Bundesrates, BBl. 1996 I 1, S. 30 ff. und S. 112 f.). Das Scheidungsrecht basiert grundsätzlich auf den beiden (sich widersprechenden) Zielen des (1) so genannten "clean break" und (2) der nachehelichen Solidarität.

Demnach hat jeder Ehegatte im Rahmen seiner Möglichkeiten nach der Scheidung für seinen Unterhalt selbst zu sorgen. "Erst wenn ein Ehegatte die durch die Ehe wirtschaftlich beeinträchtigte Selbständigkeit nicht erreichen kann, liegt ein ehebedingter Schaden vor und der andere Ehegatte ist aufgrund des Prinzips der nachehelichen Solidarität zur Leistung eines Unterhaltsbeitrages verpflichtet" (BGE vom 28. Juni 2007, 5C.38/2007, E. 2.3; BGE 132 III 593 E. 7.2; BGE 127 III 136 E. 2a).

Somit ist für die nacheheliche Unterhaltspflicht zu prüfen, ob der Ehegatte in seinem Vertrauen auf den Weiterbestand der bisherigen, frei vereinbarten Aufgabenteilung zu schützen ist. Bejahendenfalls besteht im Rahmen der vorhandenen finanziellen Mittel ein Anspruch auf die Beibehaltung der bis anhin gemeinsam gepflegten oder zumindest gleichwertigen Lebenshaltung des nunmehr Unterhaltspflichtigen. Dieser Vertrauensschutz ist die Folge von lebensprägenden Faktoren, wie zum Beispiel der Dauer der Ehe, der Verantwortung für Kinder oder des Umstandes, dass der Ansprecher im Hinblick auf die Heirat seinen bisherigen Kulturkreis verlassen hat. Fehlen derartige Anhaltspunkte, so beurteilt sich der Unterhaltsanspruch ausschliesslich nach den vorehelichen Lebensverhältnissen, das heisst, nach der wirtschaftlichen Lage des Unterhaltsberechtigten, wie sie bestünde, wenn er die Ehe nicht eingegangen wäre (BGE 127 III 136 E. 2a S. 138; Urteil 5C.149/2004 vom 6. Oktober 2004 mit Hinweisen).

Ob ein Ehegatten dem anderen nach der Scheidung Unterhalt bezahlen muss, hängt damit im wesentlichen davon ab, ob es sich um eine "lebensprägende Ehe" gehandelt hat oder nicht. Als lebensprägend wird eine Ehe angesehen, die lange gedauert hat oder - unabhängig von der Ehedauer - eine solche, aus der Kinder hervorgegangen sind. Nach der bundesgerichtliche Rechtsprechung bemisst sich der gebührende Unterhalt bei einer lebensprägenden Ehe "nach dem zuletzt gemeinsam gelebten ehelichen Standard"  (BGE vom 4. Juli 2007, 5A_100/2007, E. 4; BGE 5C.278/2000, E. 3a; BGE 5C.149/2004, E. 4.3; BGE 5C.49/2005, E. 2.1; BGE 5C.169/2006, E. 2.4).

Keine lebensprägende Ehe wurde beispielsweise bei einem Ehepaar angenommen, das mit 62 Jahren noch heiratete und sich nach einem Jahr wieder faktisch trennte. Obwohl der Ehemann finanziell weit besser gestellt war als die Ehefrau, lehnte das Bundesgericht eine Unterhaltsrente ab (BGE vom 23. Juni 2005, 5C.49/2005).  Das Bundesgericht hielt fest, dass nicht nur von einer Altersehe, sondern auch von einer sehr kurzen Ehe auszugehen war: "Dass das voreheliche Zusammenleben in diesem Zusammenhang mit zu berücksichtigen wäre, macht die Beklagte nicht mehr geltend. Dies ist angesichts der vorinstanzlichen Feststellungen, wonach sie in dieser Phase - wie auch nach Eheschluss - unverändert als Englischlehrerin tätig war und sich um den Haushalt ihrer Söhne in Zürich kümmerte und überhaupt keine gemeinschaftsbedingten Nachteile dargetan hatte, zutreffend. Zwar weist die Vorinstanz auf die spezielle Situation der Altersehe hin, in welcher zumeist die Erwerbstätigkeit an Bedeutung verliere und damit die Aufgabenteilung unter den Ehegatten eine untergeordnete Rolle spiele. Dies mag im Vergleich mit jüngeren Eheleuten zutreffen, welche oftmals Erwerbstätigkeit, Aufteilung der Haushaltarbeit sowie Sorge um die Kinder unter einen Hut zu bringen haben. Wird die Verantwortung für die Familie schwergewichtig oder ausschliesslich von einem Ehegatten getragen, dem dann keine Möglichkeit einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen bleibt, so liegt ein häufiger Anwendungsfall von lebensprägenden Umständen vor, der im Scheidungsfall in der Regel einen Unterhaltsanspruch begründet. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass in der Altersehe nicht auch spezifische lebensprägende Umstände auszumachen sind, welche im Scheidungsfall unterhaltsrechtlich relevant sein können. Fehlen solche, so ist ein Unterhaltsanspruch aus nachehelicher Solidarität zumindest bei einer kurzen Ehe nicht gegeben. Es sind nicht die Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit durch vorgerücktes Alter oder chronische Krankheiten, welche zu einem Unterhaltsbeitrag führen, sondern die Dauer, welche die Beziehung zu einer Schicksalsgemeinschaft hat werden lassen, auf welche die Ehegatten vertraut haben."

 

b) Rente oder Abfindung?

Der nacheheliche Unterhalt kann in Form einer Rente oder einer Kapitalabfindung erfolgen. Sieht das Gericht die Voraussetzungen für einen nachehelichen Unterhaltsbeitrag als gegeben an, so setzt es nach Art. 126 Abs. 1 ZGB eine Rente fest und bestimmt den Beginn der Beitragspflicht. Rechtfertigen es besondere Umstände, so kann es anstelle einer Rente eine Abfindung zusprechen (Art. 126 Abs. 2 ZGB).

Solche Umstände – die eine Abfindung anstatt einer Rente rechtfertigen – können beispielsweise gegeben sein, wenn der Unterhaltsschuldner nach der Scheidung auswandern will oder über genügend Mittel verfügt, um eine Abfindung zu leisten. Der Vorteil der Abfindung liegt darin, dass die Ehegatten endgültig auseinandergesetzt sind. Oft lassen die wirtschaftlichen Verhältnisse eine Abfindung indes nicht zu, weshalb es sich hierbei um eine tatsächliche und nicht auch rechtliche Ausnahme handelt. Ist der Unterhaltsschuldner in der Lage, eine Abfindung zu bezahlen, so kann ihm eine solche Regelung auf entsprechenden Antrag grundsätzlich nicht verweigert werden (BGE vom 28. Juni 2007, 5C.38/2007, E. 2.8; Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Personenstand, Eheschliessung, Scheidung, Kindesrecht, Verwandtenunterstützungspflicht, Heimstätten, Vormundschaft und Ehevermittlung] vom 15. November 1995, BBl 1996 I S. 117 Ziff. 233.53).

In der Lehre finden sich verschiedene Ansichten zur Gleichwertigkeit von Rente und Abfindung. Zudem wird bisweilen unterschieden, ob der Antrag des Unterhaltsberechtigten auf Leistung einer Abfindung vom Leistungsverpflichteten abgelehnt wird. Das Bundesgericht hat bisher unter Hinweis auf die verschiedenen in der Lehre vorgeschlagenen Kriterien keiner Lösung einen Vorzug gegeben, sondern die konkreten Umstände des zu beurteilenden Falles gewürdigt (BGE vom 28. Juni 2007, 5C.38/2007, E. 2.8; Urteil 5C.52/2006 E. 1.2 vom 30. Mai 2006, in FamPra.ch 2006, S. 940 mit Hinweis auf die Lehre). Dabei hat es auch die beim nicht erwerbstätigen Ehegatten mögliche Versorgungslücke in Betracht gezogen (BGE 129 III 257 E. 3).

Wird der nacheheliche Unterhaltsbeitrag in Gestalt einer Abfindung zugesprochen, so ist dieser Betrag zu kapitalisieren, d.h. der Kapitalbetrag wird unter Berücksichtigung der (antizipierten) Lebensdauer der beiden Ehegatten festgelegt. Als Grundlage hierfür werden in der Gerichtspraxis die sogenannten Barwerttafeln von Stauffer/Schätzle herangezogen, an die der Scheidungsrichter jedoch nicht gebunden ist (BGE vom 28. Juni 2007, 5C.38/2007, E. 2.8; Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum Scheidungsrecht, N. 24 zu Art. 126 ZGB).

 

c) Höhe

Der nacheheliche Unterhalt wird regelmässig in Form einer monatlichen Rente an den Ehegatten ausgerichtet. Die Höhe bestimmt sich dabei nach der Aufgabenverteilung während der Ehe, der Dauer, der Lebensstellung während der Ehe und dem Vermögen der Ehegatten.  Bei der lebensprägenden Ehe ist an den Lebensstand ("die eheliche Lebenshaltung") anzuknüpfen, auf deren Fortsetzung beide Ehegatten Anspruch haben, soweit es die finanziellen Mittel zulassen (BGE 132 III 593, 595). Auf beigefügtem Link besteht die Möglichkeit, die ungefähre Höhe des Unterhaltsanspruchs berechnen zu lassen.

In der Regel wird zunächst ermittelt, welche Ausgaben beide Ehegatten zwingend haben („Zwangsbedarf“, "Grundbedarf"). Anschliessend wird festgestellt, ob einem oder beiden Ehegatten aufgrund ihres Einkommens ein freier Betrag übrigbleibt. In finanziell bescheidenen Verhältnissen partizipiert der finanziell schwächere Ehegatte am grösseren freien Betrag des anderen Ehegatten.

Indessen ist der Richter nicht zu einer mathematisch genauen Berechnung des nachehelichen Unterhalts gestützt auf Auslagen und Einkommen verpflichtet.

Die Unterhaltsregelung gilt in aller Regel im Eheschutzverfahren und im vorsorglichen Massnahmeverfahren nur für „kurze Zeit“ (so das Bundesgericht), allenfalls für wenige Jahre. Deshalb ist es im Normalfall nötig, für die Regelung des Unterhalts in diesen Verfahren auf die aktuelle, mehr oder weniger genaue Bedarfssituation der Parteien abzustellen.

Die nacheheliche Unterhaltsregelung verlangt dagegen vom Richter eine Abschätzung darüber, wie sich Leistungsfähigkeit und Bedarf der Parteien in naher Zukunft entwickeln. Dabei soll der Richter alle Kriterien abwägen und die relevanten Umstände berücksichtigen, um eine billige und gerechte Lösung zu finden (BGE vom 3. Mai 2007, 5C.31/2007, E. 2.3.1). Der bisherige Bedarf der Parteien ist dabei ein Umstand, den es zwar zu berücksichtigen gilt und häufig auch Richtschnur dafür ist, welche notwendigen Auslagen auch in naher Zukunft anfallen. Von einer sklavischen, akribischen Existenzminimumberechnung indes kann der Richter auch absehen und stattdessen die voraussichtlichen Bedarfspositionen in Berücksichtigung der persönlichen Lebensumstände der Parteien abschätzen. Damit kann der Gefahr, dass (gerade in einem über Jahre geführten heftigen Scheidungsprozess) von den Parteien teilweise versucht wird, möglichst einen hohen aktuellen Notbedarf auszuweisen, begegnet werden. Zudem zeigt die Erfahrung, dass Bedarfszahlen (insbesondere die Wohn-, Arbeits- und Krankheitskosten) in relativ kurzer Zeit Änderungen erfahren können (BGE vom 3. Mai 2007, 5C.31/2007, E. 2.3.1).

 

d) Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit

Zu berücksichtigen ist dabei, ob dem unterhaltsberechtigten Gatten zuzumuten ist, eine Arbeit zu finden (sogenannte "Eigenversorgungskapazität"). Wo ein Ehegatte während einer Ehe von langer Dauer die Kinder betreut, den Haushalt besorgt, auf eigene Erwerbstätigkeit verzichtet und im Zeitpunkt der tatsächlichen Trennung bzw. der Scheidung das fünfundvierzigste Altersjahr erreicht hat, spricht eine widerlegbare Richtigkeitsvermutung tatsächlicher und wertender Natur dagegen, dass ihr die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit noch zuzumuten ist (BGE vom 6. September 2001, 5C.129/2001, E. 3b/aa, publ. in: FamPra.ch 2002 S. 150). Die Vermutung gilt nicht absolut, so wurde beispielsweise einer 60jährigen Ehegattin zugemutet, als Krankenschwester zu arbeiten (BGE vom 28. Juni 2007, 5C.38/2007).

Bereits nach dem Scheidungsrecht von 1907/12 musste jeweilen geprüft werden, ob - regelmässig - die geschiedene Ehefrau die wirtschaftliche Selbstständigkeit wiederum erreichen könne und ob ihr dies nach den konkreten Verhältnissen zuzumuten sei (BGE 115 II 6 E. 3b S. 9). Nach Massgabe der konkreten Gegebenheiten (Dauer der Ehe; Alter und Gesundheitszustand der Frau; Alter allfälliger Kinder) und Möglichkeiten (berufliche Fähigkeiten; Lage auf dem Arbeitsmarkt) ist der geschiedenen Ehefrau zugemutet worden, hauptsächlich vom Zeitpunkt an, da das Betreuungsbedürfnis allfälliger Kinder entscheidend nachgelassen hat, eine Erwerbstätigkeit anzunehmen (BGE 117 II 211 E. 4a S. 215; BGE vom 28. Juli 2005, 5C.139/2005, E. 1).

Die Scheidungsrechtsrevision von 1998/2000 ist von der gezeigten Rechtsprechung ausgegangen. Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist davon abhängig, dass einem Ehegatten nicht zuzumuten ist, für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufzukommen. Ob und in welchem Ausmass die Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit zumutbar sei, beurteilt sich nach den in Art. 125 Abs. 2 ZGB nicht abschliessend aufgezählten Kriterien (Ziff. 1-8), die auch beim Entscheid zu berücksichtigen sind, ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange (BGE 130 III 537 E. 3.4 S. 543; ausführlich: Urteil 5C.149/2004 vom 6. Oktober 2004, E. 4.2, in: FamPra.ch 2005 S. 354). Auch wenn das Gesetz das nicht eigens erwähnt, versteht sich von selbst, dass unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit auch zu prüfen ist, ob eine Eigenversorgung für den betreffenden Ehegatten überhaupt möglich ist.  

Die Kriterien, die für die Beurteilung der Zumutbarkeit eigener Erwerbstätigkeit massgebend sind, überschneiden sich mit denjenigen für den Entscheid über die tatsächliche Möglichkeit eigener Erwerbstätigkeit. Das Alter eines Ehegatten beispielsweise kann für die Zumutbarkeit (Art. 125 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB) wie auch für die tatsächliche Möglichkeit, auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden, ausschlaggebend sei. Unzutreffend ist hingegen die These, dass immer auch als zumutbar angesehen werden muss, was tatsächlich möglich ist. Die Gleichung stimmt nicht (BGE vom 28. Juli 2005, 5C.139/2005, E. 1). Dass eigene Erwerbstätigkeit für einen Ehegatten tatsächlich möglich ist, bedeutet nicht zwingend, dass sie von ihm auch verlangt werden darf. Heikel kann sich die Beurteilung der Eigenversorgungskapazität erweisen, wenn die Aufnahme oder Ausdehnung der Erwerbstätigkeit nicht sofort oder nach einer kurzen Umstellungszeit erfolgen soll, sondern - wie hier - erst in ein paar Jahren. Diese Beurteilung bedingt eine Prognose der künftigen Entwicklung der Verhältnisse, die sich im Nachhinein auch als falsch erweisen kann. Es stellt sich dann die Frage nach einer nachträglichen Erhöhung der Unterhaltsrente. Die Möglichkeit besteht gemäss Art. 129 Abs. 3 ZGB – im Gegensatz zur Herabsetzung, Aufhebung oder Einstellung (Abs. 1) – nur befristet auf fünf Jahre seit der Scheidung und nur unter den einschränkenden Voraussetzungen, dass keine zur Deckung des gebührenden Unterhalts ausreichende Rente festgesetzt werden konnte und dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der verpflichteten Person entsprechend verbessert haben. Eine spätere Erhöhung der Unterhaltsrente, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der berechtigten Person anders entwickelt haben als im Scheidungsurteil vorhergesehen, kennt das Gesetz nicht. Insoweit gehen ehebedingte Nachteile, die erst nach der Scheidung eintreten, vollumfänglich zu Lasten des Unterhaltsberechtigten. Der Entscheid des Gesetzgebers ist zu beachten, schliesst aber nicht aus, sondern legt vielmehr nahe, dass ein hypothetisches Einkommen, das erst mehrere Jahre nach dem Scheidungsurteil erzielt werden muss, nur mit der gebotenen Vorsicht und Zurückhaltung angenommen werden sollte.

Ab wann ist dem unterhaltsberechtigten Ehegatten eine Erwerbstätigkeit zuzumuten, wenn sich der Ehegatte um gemeinsame Kinder zu sorgen hat?
Gemäss der bundesgerichtlichen Praxis ist eine Teil- bzw. Vollzeitarbeit zumutbar, sobald das jüngste Kind zehn (50% Tätigkeit) resp. sechzehn Jahre (100% Tätigkeit) alt ist (BGE 115 II 6 E. 3c S. 10). Diese Rechtsprechung stellt zwar keine starre Regel, sondern eine Richtlinie dar, die auf durchschnittliche Verhältnisse zugeschnitten ist und vor einer jeden Einzelfallbetrachtung standhalten muss (BGE 132 III 593 nicht publ. E. 6.3; BGE vom 4. Juli 2007, 5A_100/2007). So wäre etwa eine darüber hinausgehende Erwerbsarbeit zumutbar, wenn sie bereits während des ehelichen Zusammenlebens stattgefunden hat oder das Kind fremdplatziert ist und deshalb den Inhaber der elterlichen Sorge bzw. der Obhut nicht an einer Erwerbsarbeit hindert. Umgekehrt kann eine Erwerbsarbeit auch länger unzumutbar bleiben, etwa bei einem behinderten Kind oder wenn zahlreiche Kinder zu betreuen sind (Entscheid 5C.139/2005, E. 2.2, in: FamPra.ch 2005, S. 895). In diesem Sinn sind die zitierten Richtlinien auch auf Einzelkinder anwendbar; die generell-abstrakte Formulierung "das jüngste Kind" zielt einzig auf eine Klarstellung, wenn mehrere Kinder vorhanden sind. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung ist konstant und in mehreren neueren Entscheiden bestätigt worden (vgl. BGE vom 7. Juli 2007, 5A_100/2007; BGE 132 III 593 E. 6.3; Entscheide 5C.282/2002, E. 7, in: FamPra.ch 2003, S. 677; 5C.70/2004, E. 2.3; 5C.171/2005, E. 4.2.2).

 

e) Finanziell gute Verhältnisse - "Überschussteilung"

Bei finanziell guten Verhältnissen ist zu entscheiden, wie ein Überschuss (d.h. die Differenz der Einkommen der Ehegatten über ihre beiden Lebenshaltungkosten) zu verteilen ist.

Sind die finanziellen Möglichkeiten der Parteien weder sehr bescheiden noch aussergewöhnlich gut, sind, findet eine Überschussverteilung statt (BGE vom 11. Juni 2002, 5C.100/2002, E. 3.1, publ. in: FamPra.ch 2002 S. 829/830). Dabei kann der Richter die Überschuss zwischen den Ehegatten halbieren (Halbteilungsgrundsatz), wobei dies die Regel ist: "Sind die Existenzminima zweier Haushalte mehr als gedeckt, ist der Überschuss grundsätzlich zu halbieren" (BGE 126 II 8 E. 3c mit Hinw.; so auch AGVE 1986 Nr. 2 S. 26 f.).

Diese Teilung des Überschusses (d.h. das Gutschreiben der Hälfte an jeden Ehegatten) setzt aber voraus, dass sich zwei Einpersonenenhaushalte gegenüberstehen.

Eine Aufteilung nach Hälften rechtfertigt sich nicht, wenn ein Ehegatte für minderjährige Kinder aufzukommen hat (so BGE 126 III 8; Urteil vom 1. November 1999). In solchen Fällen kann dem Ehegatten, dem die Kinder zugeteilt werden, ein höherer Anteil zugesprochen werden. So hat das Bundesgericht entscheiden, dass (ausgehend vom Grundsatz, dass bei der lebensprägenden Ehe an der ehelichen Lebenshaltung anzuknüpfen ist, auf deren Fortsetzung beide Ehegatten Anspruch haben, BGE 132 III 593 E. 3.2 S. 595) dass die Verteilung des Überschusses im Verhältnis von 40 zu 60 % unter Berücksichtigung der Zuteilung der elterlichen Sorge zulässig war und nicht gegen das Gleichheitsgebot verstiess.

Eine ebenfalls andere Aufteilung besteht bei extrem guten finanziellen Verhältnissen: Bei hohen Gesamteinkünften wird nicht halbiert, wenn das Einkommen des Unterhaltsberechtigten unter Einrechnung des halben Überschusses so hoch wird, dass er Vermögen bilden kann (BGE 119 II 314 E. 4b/bb und cc S. 318 f.).  Nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts muss für die Ermittlung eines der Vermögensbildung dienenden Restbetrages von den Kosten für die Wahrung der vor der Massnahme geübten Lebenshaltung ausgegangen werden (BGE 119 II 314 E. 4b/aa S. 318; 115 II E. 3 S. 426; 114 II 26 E. 8 S. 32; 111 II 103 E. 3c S. 106 unten). Somit müssen die Unterhaltsbeiträge – in guten finanziellen Verhältnissen –  so bemessen werden, dass die bisherige Lebenshaltung aufrecht erhalten werden kann (AGVE 1986 Nr. 1 S. 15 ff.). Dabei kann der Unterhaltsberechtigte nicht schon dann sparen, wenn er deutlich mehr als das Existenzminimum hat, sondern nach der Rechtsprechung erst, wenn ihm nach Abzug der Kosten für die Weiterführung des bisherigen Lebensstandards ein beachtlicher Betrag übrig bleibt.

In sehr guten finanziellen Verhältnissen kann der Unterhalt schnell erhebliche Grössenordnungen annehmen. So entschied das Kantonsgericht St. Gallen, dass eine Ehegattin (als Unterhalt während des Eheschutzverfahrens) CHF 25'000 pro Monat zugute hatte. Der Ehemann war Alleinaktionär und Verwaltungsratspräsident einer Holdinggesellschaft, zu der namentlich eine Maschinenfabrik gehörte. Zwar bezog er weder Dividenden noch Honorare, sondern liess den ganzen Gewinn im Unternehmen stehen. Sein aus Liegenschafts- und Wertschriftenerträgen bestehendes Reineinkommen belief sich in den Jahren 2003-2005 auf Fr. 461'000, Fr. 1'727'000 und Fr. 897'000. Sein Reinvermögen belief sich auf Fr. 57 Mio. Der Scheidungsrichter entschied, dass im Familienrecht ein weiter Einkommensbegriff gelte. Als Einkommen sei namentlich auch ein Vermögenszuwachs während einer bestimmten Periode aufzufassen. Insofern dürfe durchaus angenommen werden, dass der Beschwerdeführer fast unbegrenzt leistungsfähig sei. In sehr guten finanziellen Verhältnissen dürfe aber das Gesamteinkommen nicht einfach hälftig geteilt werden; vielmehr sei der unterhaltsberechtigte Ehegatte so zu stellen, dass er den bisherigen Lebensstandard ohne Abstriche fortführen könne. Da die Ehegatten grosszügig gelebt hatten (geräumiges Haus mit viel Umschwung, vier Autos, Haushälterin, Gärtner, Ferienwohnung im Engadin, Ferienhaus im Tessin, gepachtetes Jagdrevier, zahlreiche Gäste und Reisen), durfte sich die Ehefrau „einfach leisten, was sie bei hohen Ansprüchen für einen billigenswerten Lebensaufwand vernünftigerweise ausgeben könne.“ Der Scheidungsrichter entschied deshalb, dass die Ehefrau den fünffachen Grundbetrag, also Fr. 5'500, den Mietzins für eine Stadtwohnung mit sechs Zimmern von rund Fr. 3'000, Fr. 700 für Krankenversicherung und Risikoabdeckung, Fr. 1'500 für Mobilitätskosten (Fahrzeug der oberen Preisklasse), Urlaubsausgaben von Fr. 3'000 sowie Fr. 500 für Weiterbildung, sowie eine Reserve von CHF 2'500 für Anschaffungen und Notfälle zuzugestehen sei. Zusammen mit der Steuerlast von Fr. 8'200 ergebe dies einen Gesamtbedarf von Fr. 25'000. Das Bundesgericht hielt diese Berechnung für zulässig (BGE vom 27. August 2007, 5A_392/2007).

 

f) Finanziell schlechte Verhältnisse - Wahrung des Existenzminimums

Wie ist der Unterhalt zu regeln, wenn der Unterhaltspflichtige nicht genügend Einkommen hat, um sein eigenes Leben und dasjenige der unterhaltsberechtigten Partei zu finanzieren? Wie ist ein "Unterhaltsloch" zu verteilen?

Für Fälle, in denen zufolge Scheidung die Geldmittel für den Unterhalt der (ehemaligen) Ehegatten knapp bemessen sind, hat das Bundesgericht für die Rentenbemessung klare Regeln entwickelt. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt in sämtlichen Bereichen des Familienrechts der Grundsatz, dass bei der Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen der zahlungspflichten Partei "in jedem Fall das Existenzminimum zu belassen ist" (BGE 133 III 57, 59, E. 3; BGE 127 III 68, 70; BGE 126 III 353, 356; BGE 123 III 1; BGE 121 I 97). In das erweiterte Existenzminimum des Rentenschuldners - das aus dem betreibungsrechtlichen Zwangsbedarf (um die laufende Steuerlast erweitert) und einem Zuschlag von in der Regel 20% besteht (BGE 121 III 49 E. 1c S. 51) - darf nicht eingegriffen werden. Die Garantie des erweiterten Notbedarfs für den Schuldner soll verhindern, dass beide Parteien Sozialfürsorge beziehen müssen (BGE 128 III 257 E. 4a/aa S. 258; BGE vom 27. Mai 2003, 5C.91/2003, E. 2.2).

Damit hat der unterhaltsberechtigte Teil "das Manko, das sich aus der Differenz zwischen den verfügbaren Mitteln und dem gesamthaften Unterhaltsbedarf ergibt, alleine zu tragen." (BGE 133 III 57, 59) - Muss der finanziell schwache Ehegatten deswegen die Sozialhilfe in Anspruch nehmen, so erwachsen ihm in der entsprechenden Höhe Schulden gegenüber den Fürsorgebehörden bzw. gegenüber dem Gemeinwesen. Diese Schulden sind dann persönlich (und nicht auch diejenigen des anderen Ehegatten), wenn sie nach Aufnahme des Getrenntlebens begründet wurden.

Das Bundesgericht hielt klar fest, dass "die Leistungsfähigkeit des Rentenschuldners grundsätzlich vor allen anderen Kriterien für die Rentenbemessung Vorrang hat. Alle weiteren Schritte für die Rentenberechnung hängen von der Leistungsfähigkeit des Schuldners, mithin von der Wahrung seines erweiterten Notbedarfs ab. Es kann durchaus vorkommen, und es steht mit dem Bundesrecht im Einklang, dass bei knappen Verhältnissen der Rentengläubiger mit der zugesprochenen Rente seinen erweiterten Notbedarf gar nicht zu decken vermag." (BGE vom 27. Mai 2003, 5C.91/2003, E. 2.3).

 

g) Anzehren des Vermögens?

Wie sieht die Situation aus, wenn das Einkommen des unterhaltspflichtigen Ehegatten nicht ausreicht, um seinen Unterhalt und denjenigen des unterhaltsberechtigten Ehegatten aus seinem Einkommen zu finanzieren, er aber genügend Vermögen hat? Nach Lehre und Rechtsprechung ist es den Ehegatten zuzumuten, zu Unterhaltszwecken das Vermögen anzuzehren, wenn das Einkommen nicht ausreicht und sich dieses auch nicht ohne weiteres steigern lässt (vgl. BGE vom 15. Januar 2007, 5P.472/2006, E. 3.2; Bräm, Zürcher Kommentar, 1998, N. 104 zu Art. 163 ZGB; Leuenberger, Praxiskommentar Scheidungsrecht, Basel 2000, N. 31 zu Art. 137 ZGB, mit Hinweisen). Ob und in welchem Umfang es als zumutbar erscheint, Vermögen für den laufenden Unterhalt einzusetzen, ist anhand sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Von Bedeutung hierfür sind insbesondere der bisherige Lebensstandard, der allenfalls zusätzlich eingeschränkt werden kann und muss, die Grösse des Vermögens und die Dauer, für die ein Rückgriff auf das Vermögen nötig sein wird (vgl. Hausheer/Brunner, Handbuch des Unterhaltsrechts, Bern 1997, N. 03.110 S. 158 f.). Bei Ehegatten im vorgerückten Alter wird es als nicht willkürlich angesehen, in einer Mangelsituation zu verlangen, dass - nach dem Vorbild der Ergänzungsleistungen zur AHV/IV - jährlich ein Zehntel des Reinvermögens, das eine Freigrenze übersteigt, verbraucht wird (vgl. Vetterli, Praxiskommentar Scheidungsrecht, 2. A. Bern 2005, N. 31 zu Art. 176 ZGB).

 

h) Unterhaltsbeginn

Ab wann ist ein Ehegatte zu Unterhalt gegenüber seinem bedürftigen (Ex-)Partner verpflichtet?  Es sind zwei Fälle zu unterscheiden:

1.       Einerseits der Unterhalt während der Ehe (aber während des Getrenntlebens), aufgrund einer Eheschutz-Massnahme. Dieser Unterhalt ist geschuldet für die Dauer des Getrenntlebens.

2.       Anderseits der nacheheliche Unterhalt, d.h. der Unterhalt nach der Scheidung.

Zum nachehelichen Unterhalt ordnet das Gesetz (Art. 126 ZGB) an, dass das Gericht den Beginn der nachehelichen Beitragspflicht bestimmt. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, dem Gericht einen breiten Spielraum für die Modalitäten des Unterhaltsbeitrages einzuräumen, um damit eine möglichst grosse Einzelfallgerechtigkeit zu schaffen. Wie bereits unter dem alten Scheidungsrecht bildet der Beginn der Unterhaltspflicht mit Eintritt der formellen Rechtskraft des Scheidungsurteils die Regel, wenn auch das Gesetz dem Gericht bei der Regelung der Unterhaltspflicht verschiedene Möglichkeiten der individuellen Ausgestaltung einräumt. Zu erwähnen sind etwa die Anknüpfung der Unterhaltsberechtigung an eine Bedingung oder an eine aufschiebende Wirkung. Auf jeden Fall wollte der Gesetzgeber den Spielraum des Sachgerichtes im Hinblick auf den Beginn der Unterhaltspflicht und insbesondere im Zusammenhang mit der nunmehr in Art. 148 Abs. 1 ZGB geregelten Teilrechtskraft nicht beschränken. Demnach steht es dem Gericht auch unter neuem Recht - im Rahmen des pflichtgemässen Ermessens - frei, den Unterhaltspflichtigen rückwirkend auf den Eintritt der Teilrechtskraft der Scheidung zu einem nachehelichen Beitrag zu verpflichten. Ob für die Zeit nach dem Eintritt der Teilrechtskraft allenfalls schon ein unterhaltsrechtlicher Massnahmeentscheid besteht, ändert an der Befugnis des Scheidungsrichters nach Art. 126 ZGB nichts. Ebenso wenig ist in diesem Zusammenhang von Belang, dass der Massnahmerichter aufgrund von Art. 137 Abs. 2 ZGB über die Rechtskraft der Scheidung hinaus für die Dauer des Verfahrens zur Regelung der Nebenfolgen Anordnungen treffen kann (BGE 128 III 121 E. 3a - 3c mit Hinweisen auf die Lehre).

Somit handelt es sich bei der Festlegung des Rentenbeginns um einen Ermessensentscheid. Zwar überprüft das Bundesgericht im Berufungsverfahren Ermessensentscheide grundsätzlich frei. Es übt aber Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abgewichen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Acht gelassen hat, die zwingend hätten beachtet werden müssen (BGE 131 III 12 E. 4.2). Aus diesem Grund schreitet das Bundesgericht auch nicht ein, wenn die kantonale Vorinstanz den Rentenbeginn – rückwirkend - ab Teilrechtskraft der Scheidung anordnet (BGE vom 5. Juni 2007, 5C.43/2007, E. 2.2), d.h .bevor alle Fragen der Scheidung geregelt sind.
 

 

i) Dahinfallen des Unterhalts bei neuer Ehe oder Konkubinat

Die Unterhaltspflicht endet, sofern der unterhaltsberechtigte Ehegatte sich wieder verheiratet (sofern die Parteien bei der Scheidung nichts anderes vereinbarten).

Genauso endet die Unterhaltspflicht, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte ein „qualifiziertes Konkubinat“ eingeht, das gleich wie eine Ehe zu qualifizieren ist. Ein (qualifiziertes) Konkubinat ist von der blossen Wohn- und Lebensgemeinschaft zu unterscheiden. Gemäss ständiger Bundesgerichtspraxis ist ein solches Konkubinat erst gegeben, wenn ein der Ehe ähnlicher Unterstützungswille (analog zu Art. 163 ZGB) der Lebenspartner besteht. Dies beurteilt sich nach dem umfassenden Beistand, den die Partner sich zu leisten bereit sind. Ob sie die finanziellen Mittel dazu überhaupt aufweisen, ist unerheblich (BGE vom 20. Juni 2007, 5P.485/2006, E. 2.3). Die Folgen eines qualifizierten Konkubinats unterscheiden sich hier nicht vom Fall der Wiederverheiratung der unterhaltsberechtigten Partei, die ihren Anspruch selbst dann verliert, wenn der neue Ehepartner ihr nicht die gleiche Lebenshaltung bieten kann, wie es der bisherige Ehepartner getan hat (vgl. dazu die auch unter dem neuen Scheidungsrecht geltenden BGE 118 II 235;  E. 3a S. 237 und 124 III 52 E. 2 a/aa S. 54 mit Hinweisen; Hausheer/Spycher, Unterhalt nach neuem Scheidungsrecht, 2001, Rz. 10.30c und e).

Der Gesetzgeber hat es im Rahmen der Revision des Scheidungsrechts klar abgelehnt, das Konkubinat der unterhaltsberechtigten Partei nur dann in Betracht zu ziehen, insofern es mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden sei. Ein solches Konkubinat führte somit zur Aufhebung oder Sistierung der Unterhaltsrente (Urteil des Bundesgerichts 5C.93/2006 vom 23. Oktober 2006, E. 2.2.1 mit Hinweisen auf die Materialien). Dagegen bringt die (einfache) Wohn- und Lebensgemeinschaft bloss reduzierte Lebenshaltungskosten für die Beteiligten mit sich, die weder zur Sistierung noch zur Aufhebung einer bestehenden Unterhaltsleistung führen, diese jedoch im Rahmen der Bedarfsberechnung abändern können.

 

j) Dahinfallen des Unterhalts mit Pensionierung?

In der Gerichtspraxis wird die Unterhaltspflicht häufig bis zum Eintritt des Pensionierungsalters des Verpflichteten begrenzt.

Eine solche Begrenzung ist indessen nicht zwingend erforderlich. Der Scheidungsrichter kann - wenn es die Umstände (lange Ehedauer, finanzielle Verhältnisse etc.) erlauben - die Unterhaltsrente auch für einen Zeitraum nach der Pensionierung anordnen (vgl. etwa BGE vom 28. Juni 2007, 5C.38/2007, wo sich die Ehegatten nach zwanzigjährigem Zusammenleben scheiden liessen und in diesem Zeitpunkt 60 Jahre alt waren, das Bundesgericht hielt fest, dass die Unterhaltspflicht nicht mit Eintritt des Rentenalters erlosch).

 

Ein automatisches Renten-Ende mit der Pensionierung würde bedeuten, dass eine unterhaltsberechtigte Ehegattin aus dem bisherigen Unterhalt auch noch Rückstellungen für eine zusätzliche Altersvorsorge machen muss. Dadurch würden ihre Mittel im entsprechenden Umfang beschnitten mit der Folge, dass sie den ihr grundsätzlich zustehenden Lebensstandard nicht mehr halten könnte. Dies hat das Bundesgericht klar abgelehnt (BGE vom 21. Dezember 2006, 5C.233/2006, E. 5.6): „In Anbetracht der Tatsache, dass nach den Feststellungen der Vorinstanz andererseits der Beklagte nicht nur über ein höheres Einkommen verfügt als die Klägerin, sondern auch in der Lage sein wird, bis zu seiner Pensionierung weitere Vorsorgeguthaben anzusparen, und dass er nach dem Studienabschluss des Sohnes über zusätzliche Mittel verfügen wird, hat das Kantonsgericht nicht gegen Art. 125 ZGB verstossen, wenn es die Unterhaltspflicht bis zum Eintritt der Klägerin in das ordentliche Pensionsalter festgesetzt hat. Dem Umstand, dass die Mittel des Beklagten nach seiner eigenen Pensionierung zurückgehen werden, ist mit der Reduktion der Unterhaltsbeiträge auf die Hälfte angemessen Rechnung getragen.“

 

k) Nebenjob eines Ehegatten

Wie verhält es sich in Bezug auf den Unterhalt, wenn der Unterhaltspflichtige noch kurz vor der Trennung oder Scheidung einen Nebenjob hatte, den er dann während des Gerichtsverfahrens aufgibt? Darf der Richter dieses zusätzliche Einkommen bei der Unterhaltsberechnung noch hinzuzählen, obwohl der Unterhaltspflichtige diese Stelle nicht mehr hat?

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung darf „von einem Unterhaltspflichtigen in der Regel kein Arbeitspensum von mehr als 100 % erwartet werden“ (BGE vom 4. Juli 2007, 5P.469/2006, E. 3.2.1). Allerdings kann von diesem von diesem Grundsatz insbesondere dann abgewichen werden, wenn die „Möglichkeit einer Nebenbeschäftigung tatsächlich besteht und diese dem Unterhaltspflichtigen auch zugemutet werden kann.“ (BGE vom 4. Juli 2007, a.a.O, E. 3.2.1). Letzteres hängt von den persönlichen Verhältnissen ab, namentlich vom Alter und der bisherigen Lebensführung der betreffenden Person (BGE vom 7. März 2002 [5P.418/2001], E. 5c, in: FamPra.ch 2002 S. 578 ff.).

Somit muss ein Ehegatte, der noch kurz vor dem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren einen Nebenjob hatte, glaubhaft machen, dass die von ihm bisher ausgeübte Nebenerwerbstätigkeit ihm nie zuzumuten gewesen sei. Hat ein Ehegatte mehr als 100% im Hinblick auf den Bau eines Eigenheims gearbeitet, bedeutet die Erzielung von Nebeneinkommen zur Ermöglichung von angemessenen Unterhaltsbeiträgen an die Familie zwar eine Umstellung. Der Richter darf aber (gemäss BGE vom 4. Juli 2007, 5P.469/2006, E. 3.2.1) annehmen, sie könne dem Ehegatten trotz der Trennung noch zugemutet werden.

 

 

5.  Kinder  

a) Allgemeines

Sind gemeinsame Kinder aus der Ehe hervorgegangen, ist mit der Scheidung die elterliche Sorge auf einen Elternteil zu übertragen. Zudem wird das Besuchsrecht geregelt und der Unterhaltsbeitrag festgesetzt.

 

b) Unterhalt

Der Unterhaltsanspruch der Kinder bemisst sich nach den gleichen Grundsätzen wie für den Unterhaltsanspruch des Ehegatten (vgl. oben). Das Amt für Jugend und Berufsberatung des Kantons Zürich gibt seit 1974 Empfehlungen zur Bemessung von Unterhaltsbeiträgen für Kinder heraus.

Der unterhaltspflichtige Ehegatte ist verpflichtet, den Kindesunterhalt bis zu ihrer Mündigkeit (d.h. bis zum Erreichen des 18. Altersjahrs) oder bis zum Abschluss der Erstausbildung zu tragen.

Solange die Kinder unmündig sind, ist der obhutsberechtigte Elternteil berechtigt, den Kindesunterhalt vom anderen Ehegatten einzufordern.

Auch nach Eintritt der Mündigkeit des Kindes während des Scheidungsverfahrens kann der obhutsberechtigte Elternteil die Kinderunterhaltsansprüche in eigenem Namen (als "Prozessstandschafter") geltendmachen, solange davon auszugehen ist, dass das Kind dem entsprechenden Antrag zugestimmt hat (BGE 129 III 55). Damit kann das Scheidungsurteilt Unterhaltsbeiträge über die Mündigkeit hinaus festlegen. Diese Kompetenz steht auch dem Eheschutzrichter zu (Obergericht des Kantons Zürich, 17. November 2005, ZR 105 [2006] Nr. 40 S. 187).

 

c) Elterliche Sorge

Haben die Eltern sich in einer genehmigungsfähigen Vereinbarung über die Betreuung der Kinder und die Unterhaltskosten geeinigt, belässt das Gericht auf gemeinsamen Antrag beider Ehegatten die elterliche Sorge, sofern dies mit dem Kindeswohl vereinbar ist.

Ist umstritten, wem das Kind zugeteilt werden soll, entscheidet sich dies nach dem "Kindeswohl". Der Scheidungsrichter prüft diese Frage frei umfassend. Die Interessen der Eltern haben in den Hintergrund zu treten, und völlig ausser Betracht zu bleiben haben vor allem emotionale Widerstände des einen Ehegatten gegenüber dem andern Ehegatten. Befinden sich die Kinder in einem Alter, in dem sie an sich auf beide Eltern angewiesen sind (d.h. vor allem bei Kleinkindern), werden die Kinder nicht per se der Mutter zugeteilt (BGE 115 II 206 S. 209). Bei gleichen Voraussetzungen und bei gleicher Erziehungsfähigkeit können beide Eltern gleichermassen in den Genuss der elterlichen Gewalt gelangen (BGE 114 II 203). Den Vorrang besitzt jener Elternteil, der nach den gesamten Umständen die bessere Gewähr dafür bietet, dass sich die Kinder in geistig-psychischer, körperlicher und sozialer Hinsicht altersgerecht optimal entfalten können. Steht fest, dass diese Voraussetzungen und sodann die Möglichkeit, die Kinder persönlich zu betreuen, auf seiten beider Eltern ungefähr in gleicher Weise gegeben sind, ist dem Moment der örtlichen und familiären Stabilität und - je nach Alter der Kinder - allenfalls ihrem eindeutigen Wunsch Rechnung zu tragen (BGE 115 II 206).

 

d) Anhörung der Kinder

Kinder sind grundsätzlich im Scheidungsverfahren anzuhören. „Sind Anordnungen über Kinder zu treffen, werden diese durch das Gericht oder eine beauftragte Drittperson persönlich angehört, soweit nicht ihr Alter oder andere wichtige Gründe dagegen sprechen“ (so ausdrücklich Art. 144 Abs. 2 ZGB). Gemäss Bundesgericht müssen Kinder unter dem vollendeten sechsten Altersjahr nicht angehört werden(BGE 131 III 553 E. 1.2.3).

Darf der Richter die Anhörung des Kindes an einen Dritten (z.B. einen Psychiater) delegieren? Die Anhörung des Kindes durch den Richter selbst und diejenige durch eine beauftragte Drittperson stehen nach dem Wortlaut von Art. 144 Abs. 2 ZGB auf der gleichen Stufe. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung soll zwar der Richter die Anhörung in der Regel selbst vornehmen und sie jedenfalls nicht systematisch an Dritte delegieren. Ebenso wenig sollen aber die vom Gesetz gewährten Spielräume unnötig beschränkt werden: Während der Anhörung durch den urteilenden Richter der Vorzug der Unmittelbarkeit innewohnt, wird dieser oft weniger an spezifischer Ausbildung und Erfahrung aufweisen als eine Fachperson (BGE 127 III 297 E. 2a und 2b).

Indessen ist eine Anhörung um der Anhörung willen zu vermeiden (BGE vom 5. Juli 2007, 5C.316/2006, E. 4). Insbesondere ist von wiederholten Anhörungen abzusehen, wo dies für das Kind eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, was namentlich bei akuten Loyalitätskonflikten der Fall sein kann, und überdies keine neuen Erkenntnisse zu erwarten wären oder der erhoffte Nutzen in keinem vernünftigen Verhältnis zu der durch die erneute Befragung verursachten Belastung stünde (BGE 5P.322/2003, E. 3.2, in: FamPra.ch 2004, S. 711; 5C.247/2004, E. 6.3.2). Diesfalls hat der Richter bei seinem Entscheid auf die Ergebnisse der Anhörung durch die Drittperson abzustellen. Dabei kann es sich auch um ein Gutachten handeln, das in einem anderen Verfahren in Auftrag gegeben worden ist. Ausschlaggebend muss sein, dass es sich beim Dritten um eine unabhängige und qualifizierte Fachperson handelt, dass das Kind zu den entscheidrelevanten Punkten befragt worden ist und dass die Anhörung bzw. deren Ergebnis aktuell ist.

Unzulässig wäre aber, wenn der Richter auf oberflächliche Berichte von Amtsstellen (z.B. der Vormundschaftsbehörde) oder eines Erziehungsbeistands abstellt, die an die Eltern gerichtet sind. Solche Berichte sind keine „Anhörungen“ (BGE vom 5. Juli 2007, 5C.316/2006, E. 4; BGE 5P.276/2005, E. 3.2).

 

 

6.  Vorsorgliche Massnahmen; Scheidungsverfahren 

Schon vor Einreichen des Scheidungsbegehrens kann ein Ehegatte richterliche Anordnungen zur Regelung des Getrenntlebens beantragen, im Rahmen des sogenannten "Eheschutzes" (Art. 176 ZGB). Inhalt solcher richterlicher Anordnungen betreffen das Bezahlen von Unterhalt und die Zuteilung der Kinder während des Getrenntlebens.

Nach Einreichen der Scheidungsklage können vorsorgliche Massnahmen verlangt werden. Beispielsweise können Unterhaltsbeiträge für die Zukunft und für ein Jahr vor Einreichung des Begehrens auf Scheidung gefordert werden (Art. 137 ZGB). 

Anstelle einer richterlichen Massnahme können die Ehegatten bei Aufhebung des gemeinsamen Haushalts die Folgen des Getrenntlebens auch einvernehmlich - vertraglich - regeln. Wenn einer der Ehegatten nicht mehr bereit ist, die getroffene Abmachung einzuhalten, kann er das Eheschutzgericht anrufen, und dieses darf es nicht ablehnen, die in Art. 176 ZGB vorgesehenen Massnahmen anzuordnen. Eine Ehegatte darf sich somit eine Zeit lang an die getroffene Regelung halten, dann aber, wenn er/sie unzufrieden ist, vom Eheschutzgericht eine Neubeurteilung der Situation verlangen. Die Anrufung des Eheschutzgerichts auch nach geraumer Zeit stellt kein missbräuchliches Verhalten dar (BGE vom 18. April 2006, 5P.58/2006).  Blosses Zuwarten mit der Geltendmachung eines Anspruchs für sich allein ist kein Rechtsmissbrauch (BGE 129 III 618 E. 5.2 S. 622; BGE 127 III 506 E. 4a S. 513).

Das Scheidungsverfahren ist von der  „Offizialmaxime“ beherrscht. Dies bedeutet, dass der Richter den Sachverhalt von Amtes wegen feststellen muss, namentlich wenn Kinder involviert sind. 

 

7.  Ehevertrag 

Um Streitigkeiten im Scheidungsfall vorab oder die Verteilung des Vermögens abweichend von den gesetzlich vorgesehenen Gütergemeinschaften zu regeln, können die Vertragspartner vor und auch nach der Ehe einen Ehevertrag abschliessen. Im Ehevertrag können beispielsweise Abänderungen hinsichtlich der Beteiligung am Vorschlag und Vereinbarungen über die Teilung des Gesamtguts getroffen werden. Zu beachten ist, dass der Ehevertrag nach Art. 184 ZGB nur wirksam ist, wenn er von den Vertragsparteien unterschrieben und öffentlich beurkundet wurde.

 

Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit.

     

Roger Groner, Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt

www.gronerlaw.ch